Wüste Dörfer im Zschirnsteinwald


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Vor tausend Jahren war die Gegend der Sächsischen Schweiz kaum besiedelt. Nur an ihrem Rande und im Elbtal lagen einige kleinere Dörfer. Etwa im 12 Jh.setzte sich aus Niedersachsen, Thüringen und Franken ein Siedlerstrom nach Osten in Bewegung, dem die Gründung der meisten noch heute bestehenden Ortschaften auch im Gebiet der Sächsischen Schweiz zu verdanken ist. Nicht allen Ortsgründungen war Erfolg beschieden und manche Orte verschwanden durch Krieg und Not wieder von der Landkarte, bevor erste schriftliche Aufzeichnungen entstehen konnten. So verwundert es nicht weiter, daß einige dieser Orte nur in der Sage weiterlebten und Anlaß zu mancherlei Spekulation geben. Reichenau, südlich von Rosenthal, zählt dazu, ebenso das Jentschdörfel oberhalb der Buschmühle am Fuße des Heulenberges. Südöstlich von Hinterhermsdorf soll oberhalb der Niedermühle das Dorf Krumhermsdorf gelegen haben, westlich der Balzhütte in der Böhmischen Schweiz Budersdorf (mundartl. für Burkhardsdorf). Unweit der bis 1945 auf böhmischer Seite im Krippenbachtale zu findenden Königsmühle soll sich bis zum Dreißigjährigen Krieg die Ansiedlung Krummstellige befunden haben.

Die Wanderroute dieses Wandervorschlages (Karte: A.Rölke)

Zu einigen dieser verschwundenen Ansiedlungen zwischen Cunnersdorf und der Landesgrenze soll uns die folgende Wanderung führen. Mit Pausen werden wir etwa vier Stunden benötigen, so daß die Tour auch in der kalten Jahreszeit mit ihren kurzen Tagen gut zu laufen ist. Da die Wege teilweise grasbewachsen sind, empfiehlt sich unbedingt wetterfestes Schuhwerk. Unser Ausgangspunkt Cunnersdorf ist per Fahrrad oder Bus gut von der S-Bahn Haltestelle Königstein erreichbar. Derzeit fährt sonnabends und sonntags um 9.20 Uhr und 11.20 Uhr der Bus von Königstein nach Cunnersdorf, um 14.10 Uhr und 17.10 Uhr fährt er von der Endhaltestelle am Gasthof „Deutsches Haus” wieder zurück.

Cunnersdorf (ca. 550 Einwohner) ist eine Ansiedlung oberfränkischer und thüringischer Kolonisten aus dem 13.Jh.. Das Waldhufendorf wird urkundlich erwähnt als Kunradsdorf (1379), Kunerstorf (1445) und Connersdorffe (1539) und trägt seinen Namen nach einem Lokator namens Konrad. Mit dem Burgbezirk Königstein kommt das Dorf 1406 vom Königreich Böhmen zur Markgrafschaft Meißen. In der Ortsmitte fällt der Forsthof (oder Friesenhof) auf, das ehemalige Lehnrichtergut, welches zwischen 1591 und 1601 zum Sitz der Oberforstmeisterei für die kurfürstlichen Wälder im Amte Pirna umgewandelt wurde. Der unmittelbar benachbarte Gasthof „Zum Erbgericht” erinnert an das einstige Gut des Dorfrichters. Mehrere große alte Bauernhöfe (Nr.12 mit Umgebindehaus im Hof, Vierseithof Nr. 57) und sehenswerte Fachwerkhäuser (Nr. 1 bis 4 im Ortsteil Viebig) und Umgebindehäuser (Nr. 22 und 52) prägen das Ortsbild von Cunnersdorf. Wer Interesse hat, kann der Cunnersdorfer Heimatstube (Nr.37, geöffnet Mai-Oktober, Mi 17-19 Uhr, Sa 9-11 Uhr) einen Besuch abstatten.

Unsere Wanderung beginnt am Buswendeplatz unweit des Gasthauses „Deutsches Haus”. Von hier führt uns zunächst noch eine schmale Straße, die mit einem grünen Strich als Wanderwegmarkierung versehen ist, zwischen einige Häusern hindurch in östlicher Richtung zum Dorfrand (nicht in Richtung Waldbad laufen !). Bald wird die Straße zum Feldweg, durch Weidewiesen führt er uns stetig bergan. Anfangs befindet sich zur Rechten ein kleines Waldstück. Nach etwa 10 Minuten erreichen wir dann den Waldrand, wo ein mit grünem Punkt markierter Weg den unsrigen kreuzt. Die Herkunft des Namens „Brand” für den umliegenden Wald wird uns hier durch eine Holztafel erklärt.

Weiter geht es nun geradeaus mit stetiger leichter Steigung auf dem Lindhornweg. Dieser Weg entstand vor vielen hundert Jahren als Cunnersdorfer Strang der Alten Tetschner Straße, einem mittelalterlichen Handelsweg zwischen Sachsen und Böhmen. Der alte Handelsweg führt immer auf dem Höhenrücken zwischen den Tälern des Krippenbaches und des Cunnersdorfer Baches entlang, am ehemaligen Ententor über die Landesgrenze hinweg und weiter als „Hohe Straße” über Maxdorf nach Tetschen.

Nach weiteren 15 bis 20 Minuten gelangen wir an eine größere Wegkreuzung, links steht eine Bank, schräg nach rechts zweigt der Weg „Alte Drei” ab. Wir folgen geradeaus dem Lindhornweg in Richtung Rosenthal (Wegweiser). Der Weg steigt nun wieder etwas steiler an bis zu einer Gabelung, wo uns rechts eine Tafel die Abzweigung der „Gebacknen Birnstraße” anzeigt, die wir auf dieser Wanderung noch einige Male berühren werden.

An der „Gebacknen Birnstraße”

Wir wenden uns zunächst nach links und laufen weiter entlang der grünen Markierung.Nur reichlich 5 Minuten nach der Gabelung erreichen wir an der Einmündung einer ausgebauten Forststraße (Oberer Bruchweg) einen überdachten Rastplatz. Etwa 50 Meter von hier steht rechts des Lindhornweges die Heinrich-Cotta-Eiche, die ihren Namen zu Ehren des Begründers der Tharandter Forstakademie erhielt. Am Baum befindet sich eine Tafel mit den Lebensdaten von Heinrich Cotta und dessen Sohn Bernhard.

Vom Rastplatz folgen wir auf dem Sandweg dem Wegweiser zur Matthias-Otto-Eiche, die wir an einer weiteren größeren Wegkreuzung nach ungefähr 10 Minuten erblicken. Diese Eiche trägt ihre Bezeichnung zur Erinnerung an einen Cunnersdorfer Förster, der Mitte des 16. Jhs. Forst und Wildzäune vorbildlich betreute. Schon einige hundert Meter vor der Matthias-Otto-Eiche sind wir, ohne es recht zu merken, wieder auf die Gebackne Birnstraße gestoßen. Eine Tafel unweit der Matthias-Otto-Eiche erklärt uns den etwas merkwürdigen Namen als gepackte Steinstraße, andere Deutungen sprechen von einer gebauten (verfestigten) Pirnaischen Straße. An der Eiche verlassen wir die grün markierte Wanderroute und begeben uns auf den am weitesten links liegenden Weg (aus der bisherigen Laufrichtung gesehen, die große Schonung liegt rechts). Dies ist der gut ausgebaute Forstfahrweg „Alte Drei”, den wir in südliche Richtung laufen. Keine 10 Minute dauert es, bis wir eine reichliche Wegstunde von Cunnersdorf entfernt, wieder auf den Lindhornweg stoßen. Rechts finden wir ein kleines Schutzdach, geradeaus in einem eingezäunten Waldstück erblicken wir wieder eine Tafel.

Links des Weges lag hier einst die Siedlung Stolzenhain, über die nur wenig bekannt ist.Der Sage nach soll Stolzenhain ein besonders schönes Dorf gewesen sein. Die Anlage eines Dorfes wird durch die ergiebige Wasserquelle des Stolzenhainbornes begünstigt. Schon 1548 wird Stolzenhain nur noch als Waldbezirk erwähnt der „fahet sich ahn ahn der Kunersdorffer guttere und Krippenbach und gehet herumb bies ans Lindenhorn - ist ungefehr ein vierteil weges langk und breith” (Meiche). Frei übertragen bedeutet dies, daß der Waldbezirk unweit der Kunnersdorfer Bauerngüter beginnt und sich, durch den Krippenbach begrenzt, bis an das Lindenhorn erstreckt. 1561 wird noch eine „brethmuhl in dem Stoltzenhain” unterhalb der Siedlung im Krippenbachtal erwähnt. Da die schwer lesbare Eintragung auf dem Urriß der Karte von Oeder (1592/93) von manchen Forschern als „Am Stoltzen hamer” gedeutet wird, liegt die Vermutung nahe, daß es sich um eine Hammerwerkssiedlung, ähnlich etwa Oberhütten (Ottomühle), Brausenstein oder Neidberg im Bielatal, gehandelt haben kann. Unklar ist auch das Ende der Siedlung. Eine überlieferte Sage erzählt uns, daß einst der Fährmann von Schmilka spätabends einen völlig abgemagerten Fremden in welscher Tracht über die Elbe setzte. Dieser Fremde löste sich am anderen Ufer in eine graugelbe Staubwolke auf, welche davonschwebte. Am nächsten Tage brach in den Dörfern um die Zschirnsteine die Pest aus, nirgends wütete sie aber so schlimm, wie in Stolzenhain. Zuletzt lebten nur noch die Schulkinder und der Lehrer, denen aber nach einem letzten gemeinsamen Gesang auch nur noch der Tod blieb. Nur alle hundert Jahre kann man nachts im Wald an dieser Stelle den frommen Gesang der hellen Kinderstimmen zusammen mit der tiefen vollen Stimme des Lehrers hören. Die neuere Forschung ist der Ansicht, daß die Siedlung möglicherweise auch aufgrund der ungünstigen Verkehrslage in Hinsicht auf die nächsten Eisenerzvorkommen einging.

Von der „Alten Drei” biegen wir nach rechts auf den Lindhornweg ein und gleich nach dem Schutzdach wenden wir uns ein weiteres Mal nach rechts auf einen unbezeichneten, anfangs geschotterten Weg. Nach einer Kreuzung mit einem verwachsenen Querweg, beginnt rechts eine eingezäunte Schonung. Die Orientierung erfordert hier etwas Aufmerksamkeit, denn dort, wo rechts ein Überstieg über den Zaun führt, stoßen wir wieder auf die grün markierte Gebackne Birnstraße. Das grüne Markierungszeichen ist aber erst zu entdecken, wenn man sich umdreht. Wir folgen nach links bergan der mitunter etwas spärlich markierten Gebacknen Birnstraße, bald erreichen wir wieder eine Hochfläche. Eine halbe Stunde vom ehemaligen Stolzenhain entfernt, erblicken wir links vom Weg an einer uralten Buche wieder eine Tafel, diesmal mit einer Erklärung zum Ort Kühlemorgen.

An der Wüstung Kühlmorgen

Westlich der Gebacknen Birnstraße in Richtung auf den Lehmhübel verzeichnen verschiedene neue und ältere Karten die Wüstung Kühl(e)morgen. Viel mehr noch als über Stolzenhain liegt der Nebel der Geschichte über diesem Ort. Die älteste schriftliche Nachricht finden wir in Zürners Atlas Augusteus (um 1730), der an dieser Stelle einen „Kahlen Morgen” verzeichnet. Da der Morgen ein altes Flächenmaß (0,25 ha) ist, hat möglicherweise erst die Volkssage ein kahlgeschlagenes Waldstück mit einer untergegangenen Ortschaft verbunden.

Kurz darauf verlassen wir die Gebackne Birnstraße und beginnen entlang unserer grünen Markierung auf dem Brettweg den Abstieg ins Taubenbachtal. Auch hier sind die Markierungen manchmal nur spärlich zu finden, Besonders bei Kreuzung eines breiteren Forstweges (Taubenbrandweg) ist Aufmerksamkeit geboten, da unser Weg von hier an grasverwachsen ist.

Der Rastplatz am Taubenteich

Zwei Stunden von Cunnersdorf entfernt (20 Minuten von Kühlemorgen), erreichen wir an einer neu gebauten Brücke das Taubenbachtal. Wer Interesse hat, kann von hier einen kurzen Abstecher (ca 5 Minuten) auf der Forststraße bachaufwärts zum Taubenteich unmittelbar an der Landesgrenze unternehmen. Ein idyllischer Rastplatz am Teichufer lädt dort zum Verweilen ein. Der Taubenteich ist ein alter Floßteich aus dem 16. Jh.. Da die Bäche der Gegend eine zu geringe Wasserführung besaßen, mußte deren Wasser zum Flößen des geschlagenen Holzes aufgestaut werden, um dann innerhalb kurzer Zeit in einer Welle abgelassen zu werden. In der Sächsischen Schweiz dienten auch die beiden Schleusen an der Kirnitzsch und der Fuchsteich südöstlich von Rosenthal der Holzflößerei. Gespeist wird der Taubenteich von Daumbach und Viehsterbebach, die beide jenseits der Landesgrenze zwischen Daumkamm und Hohem Schneeberg entspringen. Schwere Schäden entstanden in Cunnersdorf, als 1897 der Damm des Teiches brach. Wenige Schritte vom Rastplatz entfernt, kann man am nördlichen Straßenrand unter einer Fichte die Trümmer eines Gedenksteines finden.

Nebelstimmung am Taubenteich

Einfach ist der Rückweg nach Cunnersdorf von hier zu finden, denn wir müssen nur immer am Taubenbach entlang die Forststraße talabwärts laufen. Nach etwa 20 Minuten werden die Talhänge immer felsiger, schließlich baut sich eine höhere Felswand direkt am Wegrand auf. Sie ist an einigen Stellen mit der immer seltener werdenden Schwefelflechte überzogen und am westlichen Wandfuß künden einige Einmeißelungen von 1856 vom Wegebau durch das Taubenbachtal. Wenige Meter weiter mündet von links das Fuchsbachtal ein, die neu gebaute Betonbrücke ersetzt die 1883 von der sächsischen Armee angelegte steinerne Bogenbrücke. Ein kleiner, halbverwitterter Denkstein links der Brücke ist dem Neubau gewidmet.Nach dem Zusammenfluß von Fuchs- und Taubenbach fließt das Wasser entlang unseres weiteren Weges als Cunnersdorfer Bach zu Tale. Der linke Talhang ist aufgrund der Neigung der Sandsteinschichten und der zwischen ihnen befindlichen wasserundurchlässigen Schichten sehr quellenreich.

Nach etwa 10 Minuten kommen wir an den liebevoll gestalteten Steinhüttenborn direkt rechts vom Weg. Wenige Schritte weiter mündet von rechts der Steinhüttenweg. Hier befindet sich ein überdachter Rastplatz mit einer Tafel zur Erinnerung an den einst hier befindlichen Ort Steinhütten. Urkundlich belegt werden für 1561 zwei Brettmühlen im Fuchs- und Taubenbachtal. Ein Cunnersdorfer Forstmeister schreibt 1589 von einer „Steinhutte”. Der Überlieferung nach soll der Ort noch vor dem Dreißigjährigen Krieg eingegangen sein. Aber es gibt keine eindeutigen Belege für die Existenz eines Dorfes, denn der Begriff „Steinhutte” kann statt einer Hüttensiedlung auch eine einfache steinerne Forsthütte bezeichnen. An der Einmündung des Steinhüttenweges kann man einen kleinen Gedenkstein mit der Aufschrift: „Hier verunglückte am 22. Mai 1869 J.G.Bollmann” finden.

Wir laufen weiter talabwärts. Für mutige Zeitgenossen bietet sich 20 Minuten später rechts vom Weg unter einem überhängenden Felsblock mit dem Namen „Fliegenklatsche” eine außergewöhnliche Rastmöglichkeit. Wenig später zweigt nach rechts die Töpfergasse ab. Wer einem kleinen Anstieg gegenüber der Forststraße den Vorzug geben will, kann auch diesen Weg einschlagen. Forststraße und Töpfergasse stoßen am Beginn von Cunnersdorf wieder aufeinander. Rechts auf der Hochfläche befindet sich das Waldstück Alt-Cunnersdorf, das einst der Gemeindewald der Cunnersdorfer Bürger war. Eine Stelle hierin wird als „Lichter Kirchhof” bezeichnet. Der Überlieferung nach soll hier vor der Reformation die Kirche für Cunnersdorf und Stolzenhain gestanden haben.

Nach 15 Minuten erreichen wir die ersten Häuser von Cunnersdorf. Sie gehören zu einem kleinen Sägewerk des Forstamtes. Links am Berghang lädt die Gaststätte Katzsteinbaude zur Einkehr ein. Früher waren hier einige Kohlenmeiler in Betrieb. Kurz darauf erblicken wir ebenfalls links das 1967-69 erbaute und 1993 rekonstruierte Freibad des Ortes. Für Interessenten bieten die Tafeln des Lehrpfades auf dem nun folgenden letzten Wegstück zusätzliche Informationen. Links der Parkplatzeinfahrt kann man am Straßenrand den unscheinbaren Wettinstein mit der Aufschrift: „Zur Erinnerung an das 800jährige Bestehen unseres erlauchten Fürstenhauses Wettin 1089 1889” finden. Durch den Ortsteil Viehbig, der an die Viehtrift zur rechts auf der Höhe gelegenen Waldweide des Waldstückes Alt-Cunnersdorf erinnert, gelangen wir in einer knappen Viertelstunde zum Ausgangspunkt unserer Wanderung zurück.

Als Wanderkarte kann uns Rolf Böhms Große Karte der Sächsischen Schweiz (1:30 000) gute Dienste leisten. Wer die Topografische Wanderkarte von Sachsen (1:25 000) benutzen möchte, muß die Blätter 45 (Bad Schandau-Sebnitz) und 44 (Berggießhübel-Bad Gottleuba) einpacken. Die zweite Auflage des Blattes 45 enthält allerdings einen großen Teil unseres Wandergebietes unverständlicherweise nicht mehr !

Cornelius Zippe (Veröffentlicht in: Sächsische-Schweiz-Initiative, Heft 11, Winter 1995/96, S. 38-41)


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last updated 19.12.98