Das Jagdschloß Sternberg

Wenn man sich heutige Karten der östlichen Böhmischen Schweiz anschaut, findet man im Wald südlich der Ortschaften Zeidler/Brtniky und Hemmehübel/Kopec im Wald eine Lichtung mit der Bezeichnung "Sternberk" eingezeichnet, mitunter auch noch ein Kartenzeichen für ein Schloß oder eine Burg, doch zu finden ist dort heute nichts von alledem. Was hat es nun mit dieser Lichtung auf sich. Recht gut gibt uns zunächst der Volksschullehrer Josef Fiedler in seiner 1898 erschienenen "Heimatskunde des politischen Bezirkes Schluckenau" Auskunft:

Karte

Die Lage des Jagdschlosses Sternberg

Ohne Überrtreibung sei es gesagt: Ein sehr anmuthiges und liebliches Plätzchen ist und bleibt Sternberg, ringsum vom frischen Walde umgeben, fern von jeder lärmenden Culturäußerung, fern von jedem Weltgetriebe. Tiefe, feierliche Stille lagert sich über das förmlich von der Natur eigens geschaffene Miniaturbildchen; nur selten hört man einen schwer beladenen Wagen knarren, sogar die Thiere des Waldes scheinen diese heilige Ruhe als sicheren Geleitsbrief für sich zu betrachten. Häufig kommt, namentlich in den Abendstunden, ein Reh auf den das Schloss umgebenden Wiesenplan, um zu grasen, oder geht ganz frei und ungehindert über den Weg aus einem Reviere in das andere.[...]

Sternberg wirkt nicht durch den Reiz großer und moderner Baulichkeiten. Das gewesene "Jagdschloss" ist sehr einfach, inwendig sogar sehr verfallen; die Hegerwohnung passt im Stile zum Schlosse, die drei anderen zugehörenden, ruinenhaften Nebengebäude sind vor etwa zehn Jahren vollends zerstört, und Steine und Schutt sind aufgeräumt worden. Und doch ist der Gesammteindruck der denkbar günstigste, wenn man auf hohe Ansprüche verzichtet und sich mit ländlicher Einfachheit bescheiden begnügt.

Das Jagdschloß Sternberg um 1900

Das Jagdschloß Sternberg um 1900

Die Umgebung von Sternberg zu schildern ist wahrlich auch nicht annähernd möglich, man muss sie eben sehen. Ich erwähne nur die vielen romantischen Schluchten, hierorts "Gründe" genannt. Auch das Historische und Sagenhafte von Sternberg und Zeidler erweckt unser lebhaftes Interesse. Die Mannigfaltigkeit der hier vorkommenden Naturkörper ist eine ziemlich bedeutende und bieten für den Forscher ein recht ergiebiges Feld zu seiner Thätigkeit.

Der historische "Taufstein" mit der prächtigen Aussicht auf den "nassen Grund" ist nur fünf Minuten von Sternberg entfernt. Auf einem schön vorgerichteten Wege gelangt man in einer halben Stunde am "preußischen Lager" vorbei zum "historischen Räuberschloss" und nach weiteren fünf Minuten zum "Mann". Eine schöne Wiese bildet seitab den "Habichtgrund", der von verschiedenen Arten von Kreuzottern (vipera berus) belebt wird. Auf dem Wege von Sternberg nach Wolfsberg liegt der "Wachtelgrund" als Aufbewahrungsort der Hainspacher Rentamtscasse im Kriegsjahre 1778 bekannt. Die soeben angeführten Punkte bilden auch das Thätigkeitsgebiet des Gebirgsvereines, der dieselben zugänglich gemacht hat. Nach diesem geistigen Ausfluge kehren wir unter die Kastanien nach Sternberg zurück und lassen traumverloren unseren Blick in die Vergangenheit schweifen und denken an die alten, alten Zeiten.

Im Jahre 1700 wurde in Sternberg ein großer "Thiergarten" angelegt. Hirsche, Rehe, Dam- und Schwarzwild trieben hier ihr Wesen; die Säulen des Thiergartenzaunes sind noch heute vielfach zu sehen. Am oberen Eingange von Zeidler nach Sternberg stand ein Wächterhaus, der hierzu gehörige Brunnen ist noch heute vorhanden.

Wir wollen hier noch ergänzen, daß gegenüber dem unten abgebildeten Steinkreuz auf der anderen Wegseite unweit des Brunnens außerdem noch eine Statue des Hl. Nepomuk aus dem Jahre 1667 stand. Diese Statue wurde sichergestellt und befindet sich heutzutage an der Kreuzkirche in Tetschen. Von der Brunnengrotte führte ein Wassergraben bis zum Altar, über dessen Stufen sich das Wasser dann ergoß.

Die Brunnengrotte Das Sandsteinkreuz
Links die Brunnengrotte, rechts das Sandsteinkreuz am Jagdschloß Sternberg (1993)

Das Jagdschloss wurde im Jahre 1771 vom Grafen Franz Wenzel zu Salm-Reifferscheidt erbaut und erst später zu Ehren seiner Gemahlin, einer geborenen Gräfin Sternberg, auch Sternberg genannt. (Der Ehevertrag wurde im Jahre 1790 geschlossen.) Die beiden Statuen vor Sternberg wurden von Wohlthätern errichtet; die an das Schloss angebaute Kapelle wurde am 5. Juni 1783 eingeweiht.

Auch die Kastanien, eine gewesene Zierde, wurden in einem sieben-gliedrigen Sterne um Sternberg angelegt. Leider sind vor einigen Jahren diese schönen Bäume zum größten Theile einer radical durchgeführten "Köpfung" zum Opfer gefallen. -- Andere Zeiten !

Zu Ende des vorigen Jahrhundertes entwickelte sich zwischen der Herrschaft und den Untertanen ein nahezu familiäres Verhältnis. Scheibenschießen, Kegelschieben, Bälle und andere Festlichkeiten wurden in Sternberg noch bis in die 1840er Jahre veranstaltet, und Beamte nebst Unterthanen wurden hierbei als Theilnehmer von der Herrschaft in jovialster Weise behandelt. Von angesehenen Personen gewidmete Schießscheiben mit Bildern aus der griechischen und römischen Göttersage nebst passenden Widmungen oder Aufschriften sind als Ueberreste jener schönen Zeiten noch in der jetzt ein wenig vorgerichteten Kegelbahn zu sehen.[...]

Das Jagdschloß Sternberg mit der Gastwirtschaft um 1940

Das Jagdschloß Sternberg mit der Gastwirtschaft um 1940

Trotz seiner landschaftlichen Reize wird Sternberg verhältnismäßig schwach besucht. Die Gastwirtschaft ist in Sternberg allerdings einfach, doch ist das Nothwendigste an Speisen, sowie ein gutes Hainspacher Bier zu haben und erfrischt die alljährlich eintreffenden und auch wiederkehrenden Naturfreunde.

Es wäre nur zu wünschen, dass dieses wunderschöne, idyllische Plätzchen nicht nur erhalten bliebe, sondern dass auch vom gegenwärtigen Herrschaftsbesitzer "etwas" zur Hebung von Sternberg, namentlich durch angemessene Baulichkeiten, geschehen möchte. Für nervöse, geistig angestrengte und abgespannte, oder sich nach Ruhe sehnende Leute würde sich Sternberg in vorzüglicher Weise als Erholungs- und überhaupt als Luftcurort eignen und würde sich mit seiner reinen Luft, dem guten frischen Trinkwasser, der guten schmackhaften Milch, die hier zu haben ist, den schönen Spaziergängen in baldigster Zeit neues Wohlwollen erwerben. Wer Sternberg einmal gesehen, der vergisst es nicht, er unterliegt dem Zauberbanne mit unwiderstehlicher Gewalt.[...]

Außerdem erfahren wir bei Fiedler noch, daß der letzte männliche Besitzer der Herrschaft Hainspach, Alois von Salm-Reifferscheidt im Jahre 1889 ohne männliche Nachkommen starb. Seine Schwester Johanna, verwitwete Gräfin von Thun-Hohenstein (aus einer Nebenlinie der Fürsten Thun auf Tetschen) trat das Erbe an. Von ihr ging es 1892 auf ihren Sohn Oswald von Thun-Hohenstein über, der später den Namen von Thun-Salm annahm. Dessen Ehefrau Christiane Gräfin Thun-Salm (1859-1935) ist in der literarischen Welt nicht unbekannt, da sie selbst Gedichte, Erzählungen und Theaterstücke schrieb und von 1901 bis 1918 einen langen Briefwechsel mit Hugo von Hofmannsthal führte, der 1999 im S. Fischer Verlag herausgegeben wurde.

Der Taufstein Der Altar

Links der Taufstein, rechts die Reste des Altars am Weg von Sternberg in das Wolfsbachtal

Der Altar von oben

Der Altar von oben, deutlich sichtbar ist das Wasserbecken. (Foto: C.Maaz, Heimatverein Hinterhermsdorf)

Soweit Josef Fiedler. Über das weitere Schicksal dieses Ortes finden sich in der Literatur immer wieder kurze Notizen und Anhaltspunkte, die wesentlichsten sollen hier folgen:

Franz Hantschel schreibt 1907 in seinem "Nordböhmischen Touristenführer" zum Jagdschloß Sternberg:

Dasselbe wurde inmitten eines Tiergartens 1771 von Frz. Wzl. Salm-Reifferscheidt, Besitzer der Herrsch. Hainspach, erb. u. zu Ehren seiner Gemahlin, einer geb. Gräfin Sternberg, benannt. Es liegt mitten im Walde auf einem geräumigen Wiesenplan, dah. fallen die Felswände steil, teilweise senkrecht zum Wolfsbache ab; ein romantischer Reiz ruht auf dem Ganzen, genährt durch die Erinnerung an das rege Leben, welches in dieser "Eremitage" seinerzeit herrschte, u. von dem zum Teil die in der Kegelbahn aufgehängten Schießscheiben noch Zeugnis geben. Seit Jahren ist es trotz zeitweiser Renovierungen im Verfalle begriffen bis auf die in einem Nebengebäude untergebrachte Hegerwohnung, wo zugleich eine einfache Gastwirtschaft eingerichtet ist; unwillkürlich macht hier der Wanderer Halt, um auf dem von alten, mächtigen Kastanien beschatteten Schloßhofe Platz zu nehmen. [...] Der Sage nach soll auf derselben Stelle schon früher ein Schloß gestanden haben, das einem Sprossen der Familie Berka zum einsamen Aufenthalte gedient habe. Rückwärts vom Schlosse führt ein ohne genaue Ortskenntnis nicht auffindbarer Weg durch Jungwald abwärts zum Wolfsbach; auf dem Abstiege dahin befindet sich l. vom Wege in dichtem Gestrüppe der Altar, sorgfältig in den Felsen gemeißelt, u. etwas weiter rückw. gegen die Schlucht der Taufstein. Ein etwa meterhoher Stein, an dem zwei kleine Vertiefungen, angeblich für Wasser und Öl, bemerkbar sind. Der Sage nach sollen die Protestanten während der Gegenreformation hier Gottesdienst abgehalten haben; auch in Kriegszeiten sollen daselbst Taufen vorgenommen worden sein.

Kurz nach der Abspaltung Böhmens von Österreich und der Gründung der Tschechoslowakei zum Ende des 1. Weltkrieges 1918 werden die Herrschaft Hainspach und mit ihr auch das Jagdschloß Sternberg 1919 enteignet und zunächst vom Prager Bodenamt verwaltet. Teile der Inneneinrichtung wurden von der Familie Thun-Salm in deren Besitz nach Klösterle gerbracht. Von Prager Bodenamt wird die Herrschaft Hainspach mit Sternberg 1924 für einen sehr geringen Preis an den Prager Rechtsanwalt Dr. Josef Ružička verkauft, kleinere Teile der Herrschaft auch an langjährige Pächter. Ružička machte sich bei der Bevölkerung der umliegenden Orte in kurzer Zeit ziemlich unbeliebt, da er das Gelände von Sternberg nach feudalem Vorbild durch Wiederherstellung des Tiergartenzaunes abriegelte und den Ausschank im Hegerhaus untersagte. Der Waldheger Wenzel Heine öffnete die Gastwirtschaft daraufhin nur noch bei Abwesenheit Ružičkas. Genutzt wurde Sternberg in dieser Zeit für Jagdgesellschaften und zur Aufbewahrung von Jagdtrophäen. Die früher abgehaltenen Volks- und Schulfeste, Turnfeste, Kahnfahrten und Kinderbelustigungen gab es dagegen nicht mehr. Trotzdem erwähnen verschiedene Reiseführer bis zum 2.Weltkrieg immer wieder die gute Gastwirtschaft im Hegerhaus, das Schloß wird dagegen meist als "verfallen" bezeichnet. Im Jahre 1927 wurde in der Gegend eine Herde von 27 Gemsen ausgesetzt.

Nach 1938 sollen am Schloß einge Umbauten vorgenommen worden sein. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges wurden in Sternberg zeitweise Kinder aus zerbomten Städten untergebracht. In den letzten Kriegsmonaten erhielten Jugendliche in Sternberg noch eine militärische Ausbildung und wurden erst beim unmittelbaren Herannahen der Front nach Hause entlassen.

Nach dem 2. Weltkrieg und der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei kommt das Jagdschloß Sternberg in staatlichen Besitz und dient fortan als Erholungsheim, später wird architektonisch wenig sensibel noch eine Bungalowsiedlung hinzugefügt und das ganze Gelände als Kinderferienlager genutzt. Aber auch in diesen Jahrzehnten unterbleibt offensichtlich jede grundlegende bauliche Sanierung.

Schloss Sternberg 1993 im Abbruch

Das Jagdschloß Sternberg 1993 im Abbruch, von etwa derselben Stelle aus aufgenommen, wie die Postkarte von 1940

Nach dem Ende des "Sozialismus" 1989/90 wurde das Anwesen bald nicht mehr genutzt und verfiel nun rapide. Dachstuhl und Mauern waren vom Schwamm befallen und 1993 wurde zunächst das Dach und Mansardgeschoß des Gebäudes abgetragen. Zu diesem Zeitpunkt wurde noch von Sanierung und Rekonstruktion gesprochen, bald darauf jedoch war von dem Schloß nichts mehr übrig. Nur in Wanderkarten und Reiseführern wurde noch jahrelang vom "Jagschloß Sternberg, z.Zt. in Rekonstruktion" geschrieben. Der MarcoPolo Reiseführer Böhmische Schweiz (Prag, 2003) faßt die Zeit nach 1945 in einem etwas holprigen Deutsch so zusammen:

Nach dem Jahre 1948 wurde das Schloss vom Forstbetrieb Stätni lesy genutzt, später zu einem Erholungsheim für Kinder umgebaut. Während dem Bau von kleinen Bungalows und anderen Bauten wurde die wertvolle Parkanlage so umweltfeindlich behandelt, dass sie einer entgültigen Beschädigung nicht verschont blieb. Vor einigen Jahren wurde das Schloss abgerissen; das neue Gebäude an der Straße dient als Schulungszentrum der Post.

Schloss Sternberg 1993 im Abbruch

Das Jagdschloß Sternberg 1993 im Abbruch, links das Hegerhaus, rechts Bungalows des einstigen Kinderferienlagers

So ging ein Kleinod der Böhmischen Schweiz durch die Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit der jeweiligen Besitzer unwiederbringlich verloren.


Quellen:
- Josef Fiedler, Heimatskunde des politischen Bezirkes Schluckenau, Rumburg 1898
- Dr. Franz Hantschel, Nordböhmischer Touristenführer, Leipa 1907
- P.David, V.Soukup, Die Böhmische Schweiz, MarcoPolo, Praha 2003
- weitere Reiseführer verschiedener Jahrgänge
- A.Koch, Brief vom 2.4.04
- Webseiten Christiane Gräfin Thun-Salm und Gnädige Frau Gräfin...

zurück


Seite vom 21.3.04, ergänzt am 4.8.04