Aus der Geschichte der Erstbegehungen


Aus Oscar Schusters Tagebüchern

herausgegeben von Dr. Waldemar Pfeilschmidt, Verlag Bernhard Hartung, Dresden 1922


Schusterplakette

Die Schusterplakette am Falkenstein

Fern der Heimat, zu Astrachan verstarb im Juli 1917 Oscar Schuster, ein Opfer des unersättlichen Weltkrieges, in der Blüte seiner Jahre; er, dessen Fuß von allen Alpinisten wohl die meisten Alpengipfel betrat, der unerschrockene Wahrheitssucher und treue Bergfreund. Von der Wand seines letzten ärmlichen Heimes grüßten den todkranken Kriegsgefangenen die Worte des Psalms: "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen meine Hilfe kommt", die Worte, die der Leitstern seines Lebens gewesen. Die von berufener Seite stammenden Nachrufe auf Oscar Schuster, welche bald nach seinem Tode erschienen, betonten übereinstimmend, wie er neben seiner Tätigkeit als Bergsteiger nie, besonders in den letzten Jahren seines Lebens, die Fortbildung seines inneren Menschen aus dem Auge ließ, wie er, dem die äußeren Umstände gestattet haben würden, sich ausschließlich dem Bergsteigen zu widmen, sich noch in den dreißiger Jahren seines Lebens, nie müßig und unablässig bemüht, neue Kenntnisse und Erkenntnisse zu sammeln, mit allem Eifer dem Studium der engeren Philosophie hingab. "Es war, wie es in einer von R. Fehrmann verfaßten Lebensskizze Schusters heißt, das Leben eines Kämpfers; reich, ungewöhnlich reich an Kampfzügen gegen die Naturgewalten, ebenso wie im Ringen um die Wahrheit, ein Leben voll fröhlichen Schauens, wie ernsten männlichen Denkens." Wie er, fern allem sportlichen Snobismus, auch inmitten der Bergwelt, stets der tief denkende Mensch blieb, erhellt sich dem, der seine hinterlassenen Tagebuchaufzeichnungen durchliest, aus so manchen kurzen Bemerkungen, manchem selbstverfaßten oder zitierten Verse, die er sich notierte auf einsamer Hütte, durch die Ungunst der Witterung zu unerwünschter Untätigkeit gezwungen. So fand ich unter anderem die Verse:

          "Wer nicht gelitten, hat nur halb gelebt,
           Wer nie gefehlt, hat wohl auch nicht gestrebt,
           Wer nie geweint, hat halb auch nur gelacht,
           Wer nie gezweifelt, hat wohl kaum gedacht."

Und ein andermal:

          "Verhaßt ist manchem der Hahn,
           Der kündet des Morgens Nahn.
           Doch ob er den Hahn auch töte
           Nicht hemmt er die Morgenröte."

Nach mehrfachem vergeblichem Bestürmen eines neuen Anstieges in der Wettersteingruppe schreibt er die Worte in sein Tagebuch:

          "Die Vorwärtsdringenden,
           Die Aufwärtsstrebenden
           Die Ringer um des Glückes Huld
           Die brauchen am meisten unter Lebenden
           Die Simsonsstärke der Geduld." --

Wie erwähnt, ist Oscar Schusters Bedeutung als Mensch und Bergsteiger bald nach seinem Tode von berufener Seite gebührend gewürdigt worden. Als Ergänzung dieser Nachrufe, welche vorwiegend die hochalpine Seite seiner bergsteigerischen Laufbahn behandeln, mögen die folgenden Mitteilungen über seine Bergfahrten in der Sächsischen Schweiz dienen, die seinen durch letztwillige Verfügung in den Besitz der Akad. Sektion Dresden des D.u.Ö.A.V. übergegangenen Tagebüchern entstammen. -- Er selbst hat in früheren Jahrgängen von "Über Berg und Thal" über seine zahlreichen Neutouren Berichte im Führerstil veröffentlicht, es dürfte jedoch nicht ohne Interesse sein, auch die unter dem unmittelbaren Eindruck des Erlebnisses niedergeschriebenen Tagebuchaufzeichnungen, an welchen ich mir nur geringfügige Kürzungen und stilistische Abrundungen erlaubte, und welche ich mit einigen erläuternden Anmerkungen versah, kennen zu lernen. Leider sind bei einem Brande in früheren Jahren die zehn ersten Tagebücher vernichtet worden, welche über seine allerersten Kletterfahrten im heimischen Felsengebirge Aufschluß geben würden, die erhaltenen Tagebücher beginnen mit dem Jahre 1893.

Für eine weitere Beschäftigung mit dem Bergsteiger Oscar Schuster kann folgende Literatur als Einstieg dienen:


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Dokument vom 16.11.97, letzte Änderung am 5.1.08