Der Schauenstein

Von E. Walther

Am weitesten vom Herrensitze Wildenstein entfernt lag an der "Böhmerstraße"1), die als Fortsetzung des Hinterhermsdorfer Weges von Hinterdittersbach (Kirnitzschschenke, heute Wüstung Zadni Jetrichovice) nach Hohenleipa (Vysoka Lipa) und von hier westwärts weiter an die Elbe (nach Herrnskretschen, heute Hrensko, und Tetschen, heute Decin), südwärts ins Innere des Landes führt, an der Stelle, wo sie aus der Enge der Felswände der Böhmischen Schweiz auf die Hochebene heraustritt, und nur eine knappe Wegstunde von der Mündung des Großen Zschands bei Rainwiese (Mezni Louka) weg der Schauenstein (wegen seiner weitreichenden Fernsicht so geheißen ...) oder das Hohenleiper Raubschloß.

Lage des Schauensteins

Die Lage des Schauensteins (Raubschloss etwa in Kartenmitte)

Wohl war der verfügbare Raum auf dem Felsen für eine Burganlage sehr beschränkt, da dieser nur etwa 10 m breit ist. Aber der Zugang war recht beschwerlich und deshalb leicht zu verteidigen. Heute noch muß man auf einer 3 m hohen Holztreppe den Einstieg erreichen und auf einer 7 m langen, schwankenden Leiter in einem FeIsspalt mühsam auf den Gipfel emporklimmen.

Außer einer flaschenförmigen Zisterne von 3,10 m Tiefe und 0,90 m Mündungsdurchmesser weist die Plattform eine künstliche Vertiefung von 6,30 m Länge und 4,40 m Breite auf, die jedenfalls von einem Blockhaus überbaut war und den wichtigsten Teil der Burgstätte bildete. Etwa 5 m darunter befindet sich an der Nordseite als zweiter Wohnraum eine durch die Spitzhacke erweiterte Höhle von 4,30 m Länge, 2,50 m Breite und 2,85 m Höhe, in die ein niedriger (1,25 m hoher) spitzbogenförmiger Eingang 0 cm breiten und 33 cm hohen, aus dem Felsen herausgehauenen Sitz- oder Liegebank versehen ist. Die Ostwand ist von einem etwa 2 m breiten und 1,50 m hohen Loch durchbrochen, durch das das Gemach mit einem dritten, in einer Felsspalte gelegenen, tieferen in Verbindung steht, dessen Boden wohl von Bohlen oder starken Brettern gebildet wurde.

Zu ebener Erde bemerkt man rechts vom Aufstieg eine Felshöhle von 3,10 m Länge, 2,45 m Höhe und 1,40 m Breite, die vermutlich als Unterstand für einen Wachtposten diente.

Der Schauenstein

Der Schauenstein von Norden

Zu dem Adelsgute gehörten die Dörfer Hohenleipa (Vysoka Lipa), Stimmersdorf (Mezna), Jonsdorf (Janov) und Neudorf (wohl nicht Neudörfel bei Rosendorf (Ruzova), sondern ein Dorfteil von Hohenleipa, der früher Selbständigkeit besaß). Diese waren im 14.Jahrhunderte im Besitze der Herren von Michelsberg. Hohenleipa hatten sie bis zum Jahre 1401 inne.

Von ihnen erwarben um 1405 die Berka von der Duba die Orte. Benesch Birke (Berka) von Wildenstein mag nach dem Jahre 1410 den Schauenstein erbaut, die erwähnten 4 Dörfer dazugeschlagen und einem seiner Söhne übertragen haben. Er und seine beiden Brüder Albrecht und Hinko, die die Herrschaft Wildenstein und Schauenstein gemeinsam von ihres Vaters Bruder geerbt hatten, verpfändeten die Burg samt ihrem Zubehör an ihren Schwager Johann von Wartenberg auf Blankenstein2).

Nach dem Tode seines Bruders Hinko wollte Albrecht Birke mit seiner Grundherrschaft Wildenstein auch den Edelsitz Schauenstein dem Kurfürsten von Sachsen überlassen. In dem zu diesem Zwecke 1446 aufgestellten Verzeichnisse aller ihrer Teile (Wälder, Gewässer, Mühlen, ehrbaren Mannschaften, Zinsen) ist als besonderes Besitzstück aufgeführt "der Schawensten mit synen welden vnd wassern vnd dorffen, nemlich dy Hoe Leype daz dorff, Stymmersdorff, Jonsdorff, Newdorff, als das in synen reynen gelegen ist vnd das myn Bruder seliger vnd ich hern Blancksteyn versaczt hatten".

Bei dem 1451 erfolgten Tausche kam er jedoch leider nicht mit an die Wettiner. Das hatte seinen Grund wahrscheinlich darin, daß der von den Birken an Johann von Wartenberg verpfändete Rittersitz noch nicht wieder eingelöst worden war. Hätten Albrecht Duba oder der Kurfürst von Sachsen die Einlösungsfrist nicht versäumt, so wäre die sächsische Grenze bei dieser Gelegenheit bis an die Kamnitz (Kamenice) nach Süden gerückt worden.

Seit 1446 hört man nichts mehr vom Schauensteine. Hatte man ihn schon damals aufgelassen ? War er zerstört worden ? "Versunken und Vergessen !" Ähnlich wie bei der Burg Schwarzberg (unweit Kohlmühle im Sebnitztal) war auch hier der Name des festen Edelsitzes zwar urkundlich bekannt, konnte aber nicht mit einer bestimmten Örtlichkeit verbunden werden. Professor A. Paudler in Böhmisch- Leipa (Ceska Lipa) ist es gelungen, ihn an den Sandsteinklotz bei Hohenleipa zu bannen.

Die erste urkundliche Erwähnung der Burg stammt aus dem Jahre 1431. Die betreffende Stelle lautet: "1431 feria sexta post Jubilate (= 27. April). Item Vinczil xij gr., das her zcwene boten vssandte, alze die schuczen uf die von Schauwestey gehin wolden. Item eyme von der Sebenicz aber vj gr., der dahen gesand wart, zcu behorchin, wene (= wann)." Es handelt sich hierbei um eine Belagerung des Schauensteins, die Dresdner Schützen im Auftrage ihrer Stadt ausführten, die mit den beiden Brüdern Sigmund von Wartenberg auf Tetschen und Johann von Wartenberg auf Blankenstein in Fehde lag, von denen besonders der letztere als ein "wegen seiner Rauf- und Raublust weithin berüchtigter Schlaghans" bekannt war. Ihm war damals der Schauenstein verpfändet.

Unter allen sogenannten Raubschlössern der Sächsischen Schweiz scheint das Hohenleipaer diese Bezeichnung am meisten zu verdienen. Viermal gestehen Strauchdiebe auf der Folter in Bautzen daß von ihm aus Raubzüge unternommen wurden.

Um 1435 bekannte Mertin Weczke von Arnsdorf "czum irsten, das her czwir (= zweimal) vom Schawinsteyn gereten ist zcu beschedigin dise vnsers gnedigen hernn des keysers landen" (Böhmen oder die Lausitz, die damals noch kaiserlich war).

1443 erfährt man bei der peinlichen Befragung "an der krummen mittwochin" (d. i. Mittwoch in der Marterwoche =17.April) von Hans Wolf: "Czum irstin den rit sie angeslagin habin uff den genanten tag, das ist geschen mit geheysse der heuptlute zum Scharffinsteyne vnd zum Schawinsteyne alzo mit namen: Caspar Lopticz zu Herwigistorf vnd Hanuschken. Die zwene haben sie vßgericht zcu Bensaw am palmtage; den selbigin tag sind sy fort gegangin gein dem Schawinsteyne, aldo habin sy vorharrit biß uff den dinstag fruh, da gingen sy uß".

In demselben Jahre sagt Nigkel Koppil alias Peczko unter denselben Umständen aus: ""Item zu Fridersdorff had her gestoln fumff kuwe vnd had dy getrebin uff den Schawinsteyn, das habin im helffin tun Lange Hans, Heiman vnd eyn junger genant Hemirlyn, der ist von ern Hingken (= Hinko Berka von der Duba). - Item er bekennt, das dy von Tetczin Schawinsteyn habin iren abegang (= SchIeichwege zum Auskundschaften) zweschin dem Wildensteyn vnd Arnsteyne vnd bei Niclosdorff (= Nixdorf) durch die Waltegke".

Um 1443 gesteht Hans Seyler: "Item Hannczko, heuptman zum Schawinsteyn, had Hansse Seyler eyn phert gelegin (= geliehen) zu dem rete".

Der über die Jahrhunderte in Vergessenheit geratene Burgname "Schauenstein" wurde erst 1893 von Georg Pilk in Dresdner Ratsakten wiederentdeckt und von Anton Paudler der Felsenburg bei Hohenleipa zugeordnet.

1) Die Böhmerstraße wird schon im 15.Jh als "Behemer weg biß an die Kirnitz" erwähnt.
2) Die Burg Blankenstein nördlich von Aussig (Usti n.L.) ist heute eine Ruine.


aus: Emil Walther, "Die Wall- und Wehranlagen der Sächsischen Schweiz", Druckerei und Verlag Wilhelm Volkmann, Dresden 1930, mit einzelnen Ergänzungen (C.Z.)


Anmerkung: Der vorliegende Artikel beschreibt die Überreste einer mittelalterlichen Burganlage, die auf den heutigen tschechischen Karten als "Saunstejn" eingetragen ist. Die Burg befindet sich nördlich der Ortschaft Vysoka Lipa (Hohenleipa).


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letzte Änderung vom 30.12.2011