Aus der Erschließung der Böhmischen Schweiz

(Nordböhmische Touristenzeitung Nr.2 vom 20.1.1886)

Der "Gebirgsverein für das nördlichste Böhmen" berichtet:

Der Vereinsausschuß hielt am 10. d. M. in Klein-Semmering eine Sitzung ab, welche auch von vielen, dem Ausschusse nicht angehörigen Mitgliedern aus dem gesammten Vereinsgebiete besucht war. Den Hauptpunkt der Verhandlungen bildete die Vorbereitung zur Hauptversammlung deren Abhaltung für den 28. Feber in Schönlinde bestimmt wurde. Von Seite des Vereinsschriftführers Ressel ist hiebei auf allseitiges Verlangen zugleich auch die Abhaltung eines Vortrages touristischer und lokalgeschichtlicher Richtung zugesagt worden. Als ein neuer, sehr erfreulicher Zuwachs des Vereines ist die am 17. d. M. erfolgte Bildung der Abtheilung Schönau bei Schluckenau mit 38 Mitgliedern zu verzeichnen, über welche wir in nächster Nummer Weiteres berichten werden. Aus den Abtheilungen sei erwähnt, daß besonders in jener von Wolfsberg-Gärten sich die Verwirklichung interessanter Objekte in Vorbereitung und Berathung befindet; die bevorstehende Hauptversammlung mit ihrem eingehenden Berichte wird uns Gelegenheit geben, auf die Wirksamkeit der einzelnen Abtheilungen aufs Neue näher einzugehen; nur von Zeidler sei schon heute von eingegangenem längeren Berichte Gebrauch gemacht.

Der Mann mit der neuen Steiganlage im Jahr 1887

Abtheilung Zeidler. Die Arbeitslust unserer Abtheilung ist ungeschwächt, wenn Sie auch augenblicklich nicht im landläufigen Sinne mit Spaten und Schaufel zum Ausdrucke kommt. Unausgesetzt werden neue und schöne Punkte aufgesucht und das Material für zukünftiges Schaffen wird täglich größer. Es wächst immer mehr die Liebe zu unserer engsten Heimath. Sternberg, der "Schlüssel" zur "böhm. Schweiz", ist ja aber auch wahrlich selbst eine kleine böhm. Schweiz, denn wenn es auch selbstverständlich die Großartigkeit jener nicht erreicht, so kann es sich an einzelnen wildromantischen Punkten doch getrost der ersteren an die Seite stellen. Es sei hier beispielsweise des "tiefen Grundes", vom "Räuberschlosse" aus gesehen, erwähnt, der vielfach an den "Marienfelsen" mit der unter ihm sich ausbreitenden schauderhaften Tiefe erinnert. Eine ganze Serie von Schluchten, Spalten, Klüften und Rissen macht den Besuch von Sternberg und seiner Umgebung hochinteressant. Auf dem "Räuberschlosse" frappirt übrigens das Vorkommen von Basaltsteinen, was bei so ausgesprochener Sandsteinformation gewiß etwas Seltenes ist. Erwähnt sei auch hier noch des unweit davon befindlichen hochromantischen Felsens "der Mann", dessen durchschnittliche Höhe an 17 m beträgt; mit Befriedigung sei zugleich mitgetheilt, daß sich Herr Zimmermeister Adam bereits erbötig gemacht hat, zur Besteigung dieses Felsens eine ca. 20 m lange Stiege von eigenthümlicher Konstruktion und mit Geländer versehen, ganz uneigennützig beizustellen, so daß dem Vereine hauptsächlich nur die Wegverbesserung zu diesem interessanten Punkte obliegen wird. In der Nähe des "Mann" findet sich abermals eine Seltenheit unserer Gegend in der Zwergenkiefer (Pinus Pumilis), hier auch Strauchkiefer genannt, die eine Höhe von 2 bis 2½ m erreicht. - Ein weiteres Objekt ist sodann die Herrichtung des "Pferdestandes", eines Platzes, neu entdeckt und benamset, unter dem Ueberhange eines mächtigen Felsens und von zwei Seiten aus so breit, daß 150 bis 200 Personen darin Platz fänden. Herrlich ist es, wenn sich die Sonnenstrahlen in diese Schlucht stehlen und die ganze Umgebung dann wie magisch erleuchten! Noch manch' Aehnliches könnte ich berichten und es ist deshalb kein Wunder, wenn unsere wackeren Mitglieder förmlich brennen vor Begierde, auf's Neue an die Arbeit zu gehen und sehnsüchtig auf die freundlichen und vermittelnden Strahlen der großen Feuerkugel warten. Bis dahin Geduld, ihr wackeren und eifrigen Naturfreunde, bald schmilzt der Schnee, das Veilchen ahnt den März - es muß doch Frühling werden!

J. F.

(Aus: Nordböhmische Touristenzeitung Nr.2/1886)


Anmerkung: Die erwähnte Steiganlage auf den "Mann" ist längst nicht mehr auffindbar. Heute ist der "Mann" unter dem Namen "Großer Mann" (Velky muz) im Kletterführer für die Böhmische Schweiz aufgeführt. Die Besteigung ist mit einiger Schwierigkeit über den Alten Weg (VI) möglich.

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