Aus der Geschichte der Erstbegehungen


Lokomotive - Esse


Erste Besteigung am 7. Juni 1903

Hoch über dem Amselsee im Rathener Felsgebiet erhebt sich die markante Felsgestalt der Lokomotive.

Am 7. Juni 2003 jährte sich zum hundertsten Mal die Erstbesteigung der Lok-Esse. Seinerzeit war diese erste sportliche Besteigung der Esse ein Markstein des sächsischen Kletterns, denn sie war der Beginn der Erschließung der freien, glatten Wände. Geführt wurde diese Besteigung von Albert Kunze, dem diese Tat den Spitznamen "Essen-Kunze" einbrachte.

Am 7. Juni 1903 stand Albert Kunze mit seinem legendären Seilgefährten Oliver Perry-Smith auf der Pfeife der Lokomotive. "Dann tasten sich meine Füße vorsichtig bis an den äußersten Rand der Kluft vor. Drohend gähnt mich die tiefklaffende Schlucht an, und je länger ich zur Essenwand hinüberschaue, umso weiter scheint sie zurückzuweichen. Wenn ich nicht wüßte, daß der Spalt noch nicht 1 1/2 Meter breit ist und wenn ich nicht schon selber einmal den Abgrund überspannt, nimmermehr möchte ich glauben, daß ein Menschenkind bis zu jener kleinen Abschrägung da drüben hinüberspreizen könnte.
Alles flimmert vor den Augen, im Ohre höre ich das Blut rauschen. Ich muß heraus aus diesem unerträglichen Zustande. Darum säume ich nicht länger, sondern beginne wie vereinbart zu zählen: "eins" --- "zwei" --- "drei" ---. Es ist etwas zauberhaftes um dieses kleine Wörtlein "drei", wie ein Ruck fährt es durch den Körper und reißt die Glieder vorwärts, man mag wollen oder nicht, und auf "drei" trete ich hinaus ins Ungewisse, im selben Augenblick gibt Freund Oliver das Seil nach, mein rechter Fuß schiebt sich und streckt sich vor, soweit er nur vermag und - o, Jubel! - es gelingt: Drüben an der Esse findet der Kletterschuh Halt und ich stehe fest, eine lebende Brücke über dem Abgrund...

Überliefert ist von dieser Besteigung außerdem die markige Antwort von Oliver Perry-Smith auf die Bitte von Albert Kunze, sich nicht mit einzuseilen, damit im Ernstfalle nicht beide abstürzen: "Wenn ich dich nicht halten kann, will ich lieber mit Dir fallen" war seine knappe Antwort.

Auch heute wir die Esse der Lokomotive gern und oft bestiegen, hauptsächlich über den Überfallweg von 1903 (V), den Lammriß (VI, O. Perry-Smith, R.Fehrmann 1905) und die Südkante (VI, A.Fehrmann, E.Klar 1911).


Quellen:
A.Goldammer, M.Wächtler, Bergsteigen in Sachsen, Dresden 1936
K.Däweritz, Klettern im sächsischen Fels, Berlin 1986

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letzte Änderung am 7.6.03